Aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten zu können – das ist für jeden eine beängstigende Vorstellung. Kürzere Ausfälle werden normalerweise durch Arbeitgeber und Krankenversicherung überbrückt.
Bei längeren Ausfällen kann eine Berufsunfähigkeitsrente helfen. Wir erklären, wann eine Berufsunfähigkeitsrente gezahlt wird.
Inhalt:
- Was ist die Berufsunfähigkeitsrente?
- Wann muss der Versicherer die Berufsunfähigkeitsrente zahlen?
- Was ist beim Abschluss der Versicherung zu beachten?
- Fazit
1. Was ist die Berufsunfähigkeitsrente?
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sichert Situationen ab, in denen der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen langfristig nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben. In einem solchen Fall erhält der Versicherte eine monatliche Rente, die sogenannte Berufsunfähigkeitsrente.
Wie hoch diese Rente ist, kann üblicherweise beim Abschluss der Versicherung ausgewählt werden. Natürlich ist der Versicherungsbeitrag entsprechend höher, wenn auch eine höhere Rente ausgezahlt werden soll.
Diese Berufsunfähigkeitsrente wird gezahlt, solange die Berufsunfähigkeit vorliegt. Wenn also der Versicherte vollständig genesen ist, besteht kein Anspruch auf weitere Rentenzahlungen.
2. Wann muss der Versicherer die Berufsunfähigkeitsrente zahlen?
Von einer Berufsunfähigkeit spricht man, wenn der Versicherte seinen Beruf in Folge von Krankheit, aufgrund eines Unfalls oder ähnlichem nicht mehr ausüben kann. Bloßer altersbedingter Kräfteverfall genügt hingegen nicht.
Beispiele für eine Berufsunfähigkeit wären etwa:
- Lehrer A ist nach einem Burn-Out gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage, den Unterricht zu leiten.
- Die angestellte Hauswirtschaftlerin B übernimmt Reinigungsaufgaben und kocht in einer Kanzlei. Nach einem Sturz kann sie keine schwereren Gegenstände mehr heben, insbesondere kann sie keine Einkäufe im Großhandel mehr erledigen. Dies war jedoch wichtiger Teil ihrer Tätigkeit.
Ob der Versicherte berufsunfähig ist, wird grundsätzlich anhand von ärztlichen Diagnosen entschieden. Unter Umständen kann der Versicherer auch ein weiteres Gutachten in Auftrag geben.
Unter anderem folgende Details sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung:
Beeinträchtigung von mind. 50%
In der Regel wird gefordert, dass die Berufsunfähigkeit zu mindestens 50% bestehen muss. Bei der Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, welche im Berufsalltag anfallenden Tätigkeiten noch ausgeübt werden können und welche nicht mehr.
Außerdem wird oft herangezogen, wie viele Stunden der Versicherte noch arbeiten kann.
Beispiel: Kann die Arbeitnehmerin, die zuvor Vollzeit gearbeitet hat, sich nur noch maximal 4 Stunden am Tag auf ihre Arbeit konzentrieren, ist sie nach dieser Methode mehr als 50% berufsunfähig.
Solche Berechnungen greifen in vielen Fällen allerdings zu kurz. Es kann durchaus sein, dass jemand berufsunfähig ist, obwohl er mehr als 50% seiner Arbeitszeit noch erbringen könnte.
Beispiel: Eine technische Angestellte kann wegen chronischer Gelenkentzündungen nicht mehr die Tastatur bedienen. Ihr Beruf erfordert allerdings, dass sie ständig Eingaben am PC tätigt.
Sie ist berufsunfähig – und zwar unabhängig davon, ob sie mehr oder weniger als 50% ihrer Arbeitszeit mit dem Tippen verbringt (OLG Hamm, 20 U 70/05).
Es kommt also nicht allein auf die Arbeitszeit an, sondern auf die Tätigkeit an sich.
Welche Arbeiten übt der Arbeitnehmer aus? Welche davon sind nicht mehr möglich? Prägen diese die Tätigkeit des Arbeitnehmers? Auch diese Fragen stehen im Mittelpunkt.
Daher lohnt sich immer eine genaue Prüfung, wenn der Versicherer die Zahlung mit Verweis auf die noch zumutbare Arbeitszeit ablehnt!
Übrigens: Der Versicherer kann nicht verlangen, dass der Versicherte oder dessen Arbeitgeber den Arbeitsplatz umgestaltet. Kommt es aus eigener Initiative dazu, muss der Versicherer trotzdem zahlen.
Dauerhafte Beeinträchtigung
Außerdem muss die Berufsunfähigkeit voraussichtlich dauerhaft bestehen. Entscheidend ist also eine Prognose.
Dem Grundsatz nach müsste der Versicherte also belegen, dass er bis zum Renteneintrittsalter nicht mehr arbeitsfähig sein wird. Anders ausgedrückt: Der Versicherte muss belegen, dass seine Genesung nicht absehbar ist. Allerdings sehen viele Versicherungsbedingungen an dieser Stelle eine Erleichterung vor.
Danach genügt es, dass der Arbeitnehmer voraussichtlich in den nächsten sechs Monaten nicht mehr arbeitsfähig sein wird. In diesem Fall wird vermutet bzw. fingiert, dass er auch anschließend berufsunfähig sein und somit Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsrente haben wird.
Wird der Betroffene nach den sechs Monaten wieder arbeitsfähig, kann der Versicherer meist eine Nachprüfung vornehmen, um seine Leistungspflicht zu überprüfen. Auch muss der Arbeitnehmer oft von sich aus mitteilen, dass sein Gesundheitszustand sich gebessert hat.
Im Ergebnis führt dies meist dazu, dass der Versicherer seine Zahlungen einstellt. Ob er dazu berechtigt ist, hängt vom Einzelfall ab!
Versicherer verweisen gerne auf mögliche Behandlungen, die die Berufsunfähigkeit beseitigen könnten, und verweigern die Zahlung. Ob sich ein Versicherter einer (riskanten) Therapie unterzieht, ist allerdings eine höchstpersönliche Entscheidung.
Außerdem sind die Risiken und Erfolgschancen der Methode genau unter die Lupe zu nehmen. Daraus folgt, dass Versicherer nur in engen Grenzen „vorschreiben“ dürfen, dass der Versicherte sich in bestimmter Weise behandeln lässt.
Auch eine immer wieder aufkommende Beeinträchtigung kann übrigens dauerhaft sein. Hier kommt es allerdings stark auf den Einzelfall an. Tritt die Erkrankung insbesondere im Zusammenhang mit der Arbeit, häufig und unvorhersehbar auf, stehen die Chancen auf Berufsunfähigkeitsrente recht gut.
3. Was ist beim Abschluss der Versicherung zu beachten?
Ein großer Vorteil der Berufsunfähigkeitsversicherung ist, dass sie die Tätigkeit in einem konkreten Beruf betrifft. Es kommt also darauf an, ob der bisherige Beruf weiter ausgeübt werden kann; nicht entscheidend ist, ob der Betroffene überhaupt noch (in irgendeinem Beruf) arbeiten kann.
So weit der Grundsatz. Jedoch verweisen Versicherer trotzdem oft darauf, dass der Versicherte einen anderen Beruf ergreifen könne.
Ob und unter welchen Bedingungen eine solche Verweisung möglich ist, hängt von den Versicherungsbedingungen ab. Deshalb lohnt es sich, diese beim Vergleich verschiedener Tarife gründlich durchzulesen. Nicht selten finden sich in Versicherungsverträgen sogenannte Verweisungsklauseln. Hier unterscheidet man zwischen der abstrakten und der konkreten Verweisung.
Bei der abstrakten Verweisung kann der Versicherte auf irgendeinen anderen gleichwertigen Beruf verwiesen werden, den er noch ausüben kann. Wichtig sind unter anderem diese Kriterien:
- Die Tätigkeit entspricht der bisherigen Lebensstellung.
- Die Arbeit passt zur Ausbildung und den Fähigkeiten des Versicherten.
Solange eine entsprechende Tätigkeit möglich ist, darf die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente verweigert werden.
Beispiel: A ist Ingenieur und kann wegen eines Unfalls keine Fahrzeuge mehr steuern. Er war zuletzt bei einem Autobauer beschäftigt und hat im Wesentlichen Messfahrten durchgeführt. Er ist nach wie vor in der Lage, als Fahrzeugingenieur zu arbeiten (wenn auch nicht als Testfahrer).
Negativbeispiel: B ist Lehrerin. Wegen eines Burn-Outs ist sie nicht mehr dazu in der Lage, den Unterricht zu leiten. Der Versicherer verweist darauf, dass sie in der Nachmittagsbetreuung tätig sein könne (reine Aufsicht, Spielbetreuung,…). Diese Stelle entspricht nicht der bisherigen Lebensstellung.
Bei der konkreten Verweisung kommen hingegen nur Tätigkeiten in Betracht, die der Versicherte bereits ausübt. Auch hier sind die o.g. Kriterien entscheidend.
Beispiel: A ist selbständiger Anlageberater. Er erleidet im Mai einen Burn-Out und ist fortan in seinem Leistungspotential erheblich gemindert. Er wechselt für ein geregeltes Einkommen in eine Anstellung bei einer Bank, für die er einzelne Kunden berät.
Im September erfährt er von einem Bekannten, dass er durchaus seine Berufsunfähigkeitsrente beanspruchen könne. Der Versicherer kann unter Umständen die Zahlung verweigern, wenn eine konkrete Verweisungsklausel im Vertrag enthalten ist.
Da es bei der Auslegung dieser Klauseln zu Unsicherheiten kommt, ist es ratsam, einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu kontaktieren, wenn der Versicherer sich auf eine solche Klausel beruft.
Enthält der Versicherungsvertrag keine Verweisungsklausel, hat der Versicherte grundsätzlich bereits dann einen Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente, wenn er seinen aktuellen Beruf nicht mehr ausüben kann. Dabei ist es insbesondere nicht relevant, für welche Tätigkeit der Versicherte ausgebildet ist.
Beispiel: Arbeitet ein ausgebildeter Berufskraftfahrer zuletzt als Pianist, kommt es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit darauf an, ob er weiterhin als Pianist tätig sein kann, nicht aber, ob er erneut als Berufskraftfahrer arbeiten könnte.
4. Fazit
Eine Berufsunfähigkeitsrente wird gezahlt, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann.
Die Berufsunfähigkeit muss dauerhaft bestehen. Oft wird dies ab einer voraussichtlichen Dauer von mindestens sechs Monaten angenommen.
Berufsunfähigkeit wird angenommen, wenn die Beeinträchtigung zu 50% besteht. Oft wird dies zeitlich bemessen.
Versicherte müssen sich allenfalls dann auf einen anderen Beruf verweisen lassen, wenn eine sog. Verweisungsklausel im Vertrag enthalten ist.
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